Weltpremiere: Ostbayerische Forscher präsentieren kabelloses Ladesystem für Elektro-Autos

Foto: obx-news/TH Deggendorf
Foto: obx-news/TH Deggendorf

Deggendorf: (obx) "Elektrisch" tanken in weniger als einer halben Stunde, ohne Kabel und Steckersorgen: Wissenschaftler der Technischen Hochschule Deggendorf wollen diese Vision in die Tat umsetzen.

 

 

Es ist eine Innovation, die der Elektromobilität auf Deutschlands Straßen in den nächsten Jahren einen entscheidenden Schub geben könnte: Forscher der Technischen Hochschule Deggendorf haben ein System entwickelt, mit dem Elektrofahrzeuge ohne Kabel berührungslos geladen werden können. Eine solche Lösung ist aus zwei Gründen deshalb revolutionär, weil damit das "Tanken" für E-Mobilbesitzer zum einen komfortabler wird und sich diese zum anderen nicht mehr den Kopf über möglicherweise nicht kompatible Steckersysteme zerbrechen müssen. Knapp zwei Jahre tüftelten die E-Mobilitätsspezialisten an der ostbayerischen Hochschule an der Lösung. Jetzt haben die Wissenschaftler ihr System offiziell vorgestellt und den Prototypen eingeweiht. So funktioniert es: Das Fahrzeug wird mit Hilfe eines integrierten Positioniersystems über eine sogenannte Ladeplatte gefahren. Der Ladevorgang startet nach entsprechender Identifizierung automatisch und die Batterie des Elektrofahrzeugs lädt sich in weniger als 30 Minuten auf einen Füllstand von 80 Prozent.

 

Dabei nutzen die Wissenschaftler ein in der Physik seit langem bekanntes Prinzip der Energieübertragung durch Induktion, das beispielsweise bei Elektrozahnbürsten längst im Alltag Einzug gehalten hat. Mit dem Einzug der Halbleiter-Leistungsbauteile und der Hochfrequenztechnik ist es heute möglich, die hohen Leistungen im kW-Bereich zu übertragen, die für die Ladung von Elektrofahrzeugen erforderlich sind. Als Quelle dieses elektrischen Feldes dient eine in die Fahrbahn eingelassene Kupferspule (die Primärspule). Im Fahrzeug befindet sich eine weitere Spule zur Aufnahme des Feldes und zur Umwandlung in nutzbare elektrische Energie.

 

In der Branche gelten besonders die kurzen Ladezeiten von weniger als einer halben Stunde als Sensation: Zwar gibt es seit letztem Jahr ein kabelfreies Ladesystem für Elektrofahrzeuge, das ein Fahrzeug mit 3,6 kW aufladen kann. Für einen Nissan LEAF bedeutet dies aber eine Ladedauer von sechs Stunden. Aussteigen bei schlechtem Wetter und oft mühsames Befestigen der Stecker könnte mit der Deggendorfer Lösung künftig der Vergangenheit angehören. Bei entsprechend ausgerüsteten Elektrofahrzeugen können sogar unterschiedliche Fahrzeuge am gleichen berührungslosen Schnellladestandort aufgeladen werden. Gemeinsam entwickelt haben die Innovation Forscher der Projektgruppe E-WALD ILS (Induktives Schnellladen von Elektrofahrzeugen) und Ladetechnik mit den Entwicklern des Industriepartners INTIS.

 

Der Bayerische Wald ist heute mit seinem Projekt E-Wald Modellregion in ganz Deutschland: Entstanden ist in den vergangenen Jahren eine innovative und flächendeckende Ladeinfrastruktur. Dieses Flächennetz erlaubt es, im Bayerischen Wald Elektrofahrzeuge komfortabel und sicher zu nutzen. "Dennoch ist für die Forscher der Technischen Hochschule Deggendorf eines klar: Die Zukunft des Ladens von E-Fahrzeugen ist kabelfrei und berührungslos. Dies stellt den nächsten Schritt für die anwenderfreundliche Nutzung von Elektrofahrzeugen dar", sagen die Forscher. Seit Anfang 2015 arbeiteten die Wissenschaftler an der jetzt vorgestellten Innovation.

Die Forscher glauben: Mit der Einführung des autonomen Fahrzeugs ist kabelloses Laden gleichzeitig eine wesentliche Anforderung an die intelligente Fahrzeugtechnik der Zukunft. Vollautomatisiertes autonomes Fahren soll künftig autonomes Laden einschließen. Der nächste Schritt könnte dann sein, dass das Fahrzeug selbstständig die Route zum nächsten zum Ladestandort plan, wenn der Füllstand der Batterie sinkt. Die Vision: Die Zielplanung erfolgt automatisiert inklusive der navigierten Zielführung zu Zwischen-Ladestops mit Schnelllade-Option.

 

Im "E-Wald" wird das im Bayerischen Wald jetzt in der Praxis erprobt: Zwei Elektrofahrzeuge, ein Nissan LEAF für die Personenbeförderung und ein CITROËN Berlingo für den Lieferverkehr, rüstete das Forscherteam um. In Deggendorf und Teisnach entstanden zwei berührungslose Ladestandorte. Die Ergebnisse sollen in die weitere Entwicklungsarbeit einfließen. Das Ziel: eine universelle "E-Tankstelle" zu schaffen, die alle Ladestandards unterstützt.