ADFC fordert bessere Infrastruktur für mehr Sicherheit beim Radfahren

Vor wenigen Tagen endete in Goslar der Verkehrsgerichtstag mit Empfehlungen zur Sicherheit des Radverkehrs. Die über 2.000 Verkehrsrechtsexperten sprachen sich vor allem für den Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur aus. Auch angesichts steigender Unfallzahlen gerade bei älteren Radfahrerinnen und Radfahrern fordert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) den bundesweiten Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur, verpflichtende Fahrassistenzsysteme für LKW und PKW und besondere Rücksicht auf Senioren im Straßenverkehr.

Olaf Böttcher vom ADFC-Vorstand in Neumarkt sagt: „Die auch in Neumarkt lückenhafte Fahrrad-Infrastruktur und der ungebremste Autoverkehr sind schon für topfitte Radfahrer oft eine Zumutung. Für Ungeübte und Ältere werden sie schnell zur Gefahr. Wir brauchen mehr Platz für den Radverkehr  und zwar zulasten des Autoverkehrs, damit endlich durchgängige, breite und komfortable

Radwegenetze angelegt werden können. Auch die wachsende Generation 70plus hat ein Recht darauf, als Fahrrad- oder Pedelecfahrer sicher unterwegs zu sein. Es kann nicht sein, dass wir diesen Menschen sagen müssen: Steigt am besten ins Auto, dort seid Ihr sicher!“

 

Intuitiv verständliche Infrastruktur

Während für Autofahrer fast immer problemlos zu erkennen ist, wo gefahren werden muss, finden Radfahrer oft chaotische, unverständliche Zustände vor:

 

Buckelige Bordsteinradwege mit oder ohne Benutzungspflicht, konfliktträchtige gemeinsame Geh- und

Radwege, irritierende linksseitige oder Zweirichtungsradwege, zugeparkte oder schlecht geräumte Radfahr- und Schutzstreifen oder auch gänzlich fehlende Infrastruktur – und an jeder Kreuzung ändert sich das System. Und während die Verkehrsführung an Baustellen für Autofahrer genau markiert ist, finden Radfahrer in Neumarkt dort immer noch den lapidaren Hinweis „Radfahrer absteigen“ vor.

 

Böttcher: „Fahrradfahren in Neumarkt ist zu oft ein frustrierendes Suchspiel.“ Radfahrer wissen nicht, wohin sie gehören – und Autofahrer wissen nicht, wo sie mit Radfahrern rechnen müssen. Unklare Wegeführungen und missverständliche Beschilderungen führen bei vielen Radfahrern bewusst oder unbewusst zu Regelverstößen. Vielen Radfahrern ist eben nicht bewusst, dass sie mit dem Fahren auf dem Gehweg sowohl sich als auch Fußgänger in Gefahr bringen können. Und viele Autofahrer vergegenwärtigen sich nicht, dass ein fehlender Schulterblick, das zu enge Überholen eines Radfahrers, das Zuparken eines Radwegs oder das unachtsame Türöffnen einen Radfahrer das Leben kosten kann.

 

Autoverkehr muss Platz abtreten

Der ADFC weist mit Nachdruck darauf hin, dass der Platz für zusätzliche Fahrrad-Infrastruktur in erster Linie vom Autoverkehr kommen muss. Mehr Radverkehr auf angemessenen Wegen trage schließlich auch zur Entlastung der KFZ-Spuren bei. „Wir brauchen ein intuitiv verständliches, selbsterklärendes und sicheres Radverkehrssystem mit großzügigen Abmessungen, das dem stetig wachsenden Radverkehr in Neumarkt gerecht wird“, erklärt Böttcher. Als Beispiel nennt er die aktuelle Diskussion um die Gestaltung der Mühlstraße. Schülerinnen und Schüler fahren zu einem großen Teil mit dem Fahrrad. Das muss bei der Gestaltung und Aufteilung der Verkehrsflächen im Umfeld von Schulen viel stärker berücksichtigt werden, fordert Böttcher. „Wieso müssen wir parkende Autos auf der Straße hinnehmen, solange Radfahrer dort in Gefahr sind?“

 

Radfahren in Zahlen

50 Millionen Bundesbürger fahren Fahrrad, etwa 11 Millionen davon täglich. Etwa 10 Prozent der Wege werden mit dem Rad zurückgelegt. In Neumarkt liegt dieser Anteil im innerstädtischen Verkehr mit 13 Prozent sogar über dem Bundesdurchschnitt.

 

Mit der Verabschiedung des integrierten Gesamtverkehrsplans und einem Stadtratsbeschluss fahrradfreundliche Kommune zu werden, gibt es in Neumarkt eigentlich politischen Rückenwind, das Fahrradfahren noch deutlich attraktiver zu machen. Denn Radfahren hält fit und wirkt Verkehrs- und Klimaproblemen entgegen.

Aber: Im Durchschnitt stirbt jeden Tag in Deutschland ein Radfahrer, alle sieben Minuten wird einer verletzt (2015: 383 getötete, 77.793 verletzte Radfahrer).

Bei den Kollisionen mit Kraftfahrzeugen ist in 75 Prozent der Fälle der Autofahrer Schuld, bei den LKWs sind es sogar 80 Prozent. Zwischen 1991 und 2015 ist die Zahl der über 65-jährigen verunglückten Radfahrer von 6.585 auf 13.685 gestiegen. Weil immer mehr Ältere mit dem Fahrrad oder Pedelec unterwegs sind, ist eine weitere Zunahme zu befürchten. Quellen: Sinus Fahrradmonitor 2015, BMVI Radverkehr in Deutschland, Destatis Kraft- und Fahrradunfälle im Straßenverkehr 2015.

 

Vor Ort mehr Kampagnen für Regelakzeptanz

Der ADFC empfiehlt, elektronische Assistenzsysteme für LKW und PKW verpflichtend einzuführen. Unfallstudien zufolge könnten 60 Prozent der schweren LKW-Fahrrad-Unfälle durch Abbiegeassistenten und weitere Systeme verhindert werden.

Böttcher: „Für die Einführung solcher Systeme muss sich die Bundesregierung auf EU-Ebene intensiv einsetzen. Vor Ort könnten jedoch eine Fahrradstaffel der Polizei und deutlich mehr lokale Informationskampagnen einen wirksamen Beitrag zur besseren Regelkenntnis und Regelakzeptanz leisten – bei allen Verkehrsteilnehmern.“

 

Besondere Rücksicht auf Senioren

Der ADFC fordert außerdem, dass Senioren im Straßenverkehr deutlich mehr Rücksicht entgegengebracht wird. Böttcher: „Gott sei Dank verhalten sich die meisten Autofahrer gegenüber Kindern bereits rücksichtsvoll, bremsen ab, rechnen mit Unvorhersehbarkeiten. Dieselbe Rücksicht brauchen wir auch gegenüber Senioren!

Auch bei Älteren muss man mit Fehlverhalten rechnen, ihre Beweglichkeit nimmt ab, das Richtungshören funktioniert nicht mehr so gut. Rücksichtsloses Verhalten gegenüber Älteren muss genauso geächtet und sanktioniert werden, wie gegenüber Kindern.“

 

Über den ADFC

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit mehr als 160.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik und Tourismus. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs.