Ende 2016 erhält die Lothar & Christel Fischer Stiftung und somit das Museum Lothar Fischer
in Neumarkt i.d.OPf. zwei bedeutende Leinwände des Malers und Kunstkritikers Hans
Platschek und ein herausragendes Gemälde des belgischen Malers Maurice Wyckaert als
Schenkung der Sammlung van de Loo, München. Beide Künstler standen in enger Verbindung zu dem Museumsstifter und Bildhauer Lothar Fischer (1933-2004), der 1957 gemeinsam mit den Malern Heimrad Prem, Helmut Sturm und HP Zimmer die legendäre, berühmt-berüchtigte Künstlergruppe SPUR gründete. Sie bestand bis 1965 fort und zählt noch heute zu den international wichtigsten Künstlergemeinschaften nach 1945.
Seit ihrer Gründung 1957 in München vertritt die Galerie van de Loo den Künstler Hans Platschek, der 1932 in Berlin geboren wurde und im Jahr 2000 in Hamburg verstarb. Platschek bestritt in der Galerie zahlreiche Einzelausstellungen und Gruppenbeteiligungen und stand nicht nur mit der Familie van de Loo zeitlebens in engem freundschaftlichen Kontakt, sondern auch
mit den Künstlern der Gruppe SPUR. Als vom 11. Oktober bis zum 15. November 1957 im
Münchner Lenbachhaus die Ausstellung aktiv-abstrakt. Neue Malerei in Deutschland gezeigt
wurde, erhielt SPUR nicht nur einen aus- gezeichneten Einblick über informelle Tendenzen der zeitgenössischen Malerei, sondern lernte auch die Künstler Emil Schumacher und Hans Platschek persönlich kennen. Beide – Platschek lebte von 1955 bis 1963 in München- Schwabing - waren mit Bildwerken in der Ausstellung vertreten. Platschek war damals bereits ein europaweit anerkannter Maler, der 1958 an der Biennale in Venedig teilnahm und ein Jahr später auf die documenta II nach Kassel eingeladen wurde. Seit seiner Begegnung mit der SPUR war er für die jungen Künstler ein wichtiger Mentor und anspruchsvoller Gesprächspartner
und gemeinsam diskutierte man in der Folgezeit über Malerei und über Neue Figurationen. 1959 erschien dann sein gleichnamiges Buch, das noch den Untertitel Aus der Werkstatt der
heutigen Malerei trägt.
Zum Jahreswechsel 1958 hielt sich auch der dänische Maler und CoBrA- und Situationisten-
Mitbegründer Asger Jorn bei seinem Galeristen Otto van de Loo in München auf und Platschek
gab mit ihm zusammen - beide hatten sich schon vor 1955 in Paris kennengelernt - in den
ersten Januartagen für die Situationistische Internationale (S.I.) das Manifest Nervenruh! Keine Experimente! heraus. Schließlich wurde auch die SPUR auf Anraten Jorns Mitglied der 1957 in Paris gegründeten S.I., einer Vereinigung von europäischen Künstlern und Intellektuellen. Fast zeitgleich fertigt die SPUR im Herbst 1958 im Eigenverlag eine Grafik-Mappe, die stilistisch noch stark vom Informel geprägt ist. Jorn und Platschek verfassen unter anderem einen Text für dieses Mappenwerk.
Da zwischen den Künstlern Fischer, Prem, Sturm, Zimmer und Platschek nicht nur ein enger
freundschaftlicher Austausch bestand, sondern maßgeblich eine intensive künstlerische Verbindung herrschte, freuen sich die Stiftung und das Museum außerordentlich über die großzügige Schenkung der informellen Leinwände Sophisticated Lady von 1961 und Hund 5 von 1963. Beide Arbeiten stehen exemplarisch für einen Maler, der unbestritten als einer der wichtigsten Wegbereiter des Deutschen Informel anzusehen ist. Für die Münchner Kunstentwicklung der 1960er Jahre war Hans Platschek in vielerlei Hinsicht von herausragender Bedeutung.
Maurice Wyckaert, der 1923 in Brüssel geboren wurde und 1996 ebendort verstarb, war Asger
Jorn bereits 1956 in Paris begegnet.1957 wird er wie Jorn Mitglied der S.I. und hält sich 1958
mit dem Dänen in der Keramik-Werkstatt im italienischen Albisola auf. Durch Jorn lernte er
vermutlich 1959 auch Otto van de Loo kennen, der ihn alsbald in Brüssel aufsuchte und ihn
1960 seine erste Einzelausstellung in Deutschland in der Zweiggalerie van de Loo in Essen ausrichtete. 1961 folgte vom 23.3. bis zum 24.4. eine Werkschau in München. Fortan war Wyckaert nicht nur Künstler der Galerie van de Loo, sondern wie Jorn ein Freund der
Galeristen-Familie.
Wyckaert vertrat die belgische Sektion der S.I., während die SPUR bei dem in München im Januar
1961 gedruckten Flugblatt dieser Organisation Avantgarde ist unerwünscht! als Deutsche Sektion zeichnete. Mit den SPURisten stand Wyckaert seit 1959 in Kontakt und hielt sich 1961 für acht Monate in München auf. Er wohnte damals wohl zeitweise bei HP Zimmer oder Lothar Fischer und gemeinsam mit der SPUR und einigen anderen Situationisten wirkte Wyckaert an dem in München 1961 gedrehten Schwarz-Weiß-Film So ein Ding muss ich auch haben mit (Regie Albert Mertz, Musik Asger Jorn, Jean Dubuffet. 20 min.; auf Anfrage kann der Film im Foyer des Museums angeschaut werden). 1964 reiste die SPUR mit dem Belgier nach Venedig, um sich dort die Ausstellung L‘hourloupe von Jean Dubuffet im Palazzo Grassi anzusehen.
Mit der Arbeit Neige tardive von 1960 erhält die Lothar & Christel Fischer Stiftung ein herausragendes
Werk des belgischen Malers, der trotz seines internationalen Erfolgs für eine breitere Öffentlichkeit in Deutschland bis heute leider unentdeckt blieb.
In Verbindung mit der nächsten Ausstellung Wilhelm Loth – Von der Figur zur Körperlandschaft
1947-1988, die am Sonntag, den 5. März 2017 eröffnet wird, werden die drei Neuzugänge des
Museumsbestandes in einer separaten Raumzone im Erdgeschoss präsentiert.
Wegen des Ausstellungsumbaus ist das Museum ab 20. Februar bis 2. März geschlossen.