Thementisch in der Stadtbibliothek unter dem Motto „Wählerisch“

Mit dem Schlagwort „wählerisch“ stimmt die Stadtbibliothek ihre Leser auf die Europawahl am 26. Mai ein. Wie wichtig es ist, an diesem Tag sein Kreuzchen wohlüberlegt zu setzen und den Wahltag keinesfalls auf dem Sofa zu verschlafen, das zeigt die diesmal besonders informative Buchausstellung.

„Wie Demokratien sterben“ setzt Maßstäbe für alle, die die Symptome des Demokratieverfalls erkennen und verstehen wollen. Die Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt analysieren die Gefahren, die den demokratischen Staaten des Westens drohen und zeigen am Beispiel des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, wie immer wieder Regeln gebrochen werden, um das Gleichgewicht der Gewaltentrennung zu zerstören. „Europa zuerst“ von Claus Leggewie ist keineswegs ein Aufruf, der aktuellen Politik Amerikas nachzueifern. Der Autor plädiert vielmehr für ein offenes Europa, wirft einen kritisch-aufklärerischen Blick auf den „völkisch-autoritären Nationalismus“ und fordert einen Wechsel in der politischen Debatte: weg von den „Angstthemen“ wie Flüchtlinge und Terrorismus, hin zu Teilhabe und Solidarität. Unter dem Titel „Identität“ beleuchtet Francis Fukuyama den Aufstieg nationalistischer oder religiös begründeter Politik, für den Namen wie Trump, Putin, Erdogan, Orban oder die arabischen Staaten stehen. „Was ist los mit dir, Europa?“, fragt der 80-jährige Jesuit Friedhelm Hengsbach. Klar begründet widerlegt er zwei Aussagen von Angela Merkel: „Europa ist keine Sozialunion“ und „Wir schaffen das“. „Gegen Rechts argumentieren lernen“ – mit diesem Buch wenden sich Rolf Gloël und weitere Mitwirkende gegen gescheiterte Versuche, rassistische oder nationalistische Vorstellungen zu ächten oder zu verbieten. Stattdessen liefern sie Handreichungen, die „rechten“ Standpunkte und deren Logik ernst zu nehmen, um ihnen dann mit stichhaltigen Argumenten entgegenzutreten. Noch exakter beim Wort nimmt der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck rechte Sprüchemacher in seiner Streitschrift „Wer wir sein könnten“. Die Verrohung der politischen Sprache durch Begriffe wie Asyltourismus, Gesinnungsdiktatur, Volksverrat und Überfremdung sieht er als gezielten Angriff, die Grenze des Sagbaren immer weiter hinauszuschieben und eine demokratische Streitkultur zu verhindern. Was tun gegen Hass-Reden und Fake-News, vor allem auf sozialen Plattformen? Unter dem Titel „#ich bin hier“ stellt Hannes Ley die Facebook-Gruppe vor, die sich genau dagegen engagiert. Die Methode der von ihm gegründeten und inzwischen auf 37.000 Mitglieder angewachsenen Vereinigung nennt sich „Counterspeech“ und basiert auf einer faktengestützten, sachlichen und unemotionalen Gegenrede. „Das Netzwerk der neuen Rechten“ von Christian Fuchs und Paul Middelhoff ist praktisch ein Who is Who der rechten Szene, eine aktuelle Übersicht, wie rechte Akteure, Medien und Internetplattformen mit weniger bekannten Unterstützern wie Finanziers, Think tanks und der rechten Kulturszene zusammenwirken, um ihr Gedankengut zu verbreiten. „Was machen Politiker eigentlich beruflich?“, fragt Bijan Kaffenberger „die da oben“. Ohne Polemik erläutert er unterschiedliche Positionen zu strittigen Themen. Die Lebenswelt junger Leser trifft er mit Themen wie Krieg im Netz und rechter Rockmusik, bezieht aber auch philosophische Grundsatzfragen wie Menschenwürde, Freiheit und Demokratie mit ein. „#Tunwirwas“ rufen Immanuel Herr und Martin Speer der als unpolitisch verrufenen Generation Y zu. Sieben Gründe nennen die Autoren, jetzt aktiv zu werden, politische Verantwortung zu übernehmen und dabei ihren Vorteil des verbesserten Zugangs zu Informationen und Netzwerken zu nutzen. Mit „Abschottung“ läuft Tim Marshall Sturm gegen die Mauern zwischen oder innerhalb von Staaten. Mindestens 65 Länder haben Grenzanlagen, weist er nach und sieht darin einschneidende gesellschaftliche und wirtschaftliche Gefahren. „Salute!“ ist ein überhaupt nicht trockener Reisebericht von Laura Elisa Nunziante. Sie zog aus, um die Europäer von Amsterdam bis Moskau und die Vielfalt ihrer Kulturen besser kennenzulernen – was ihr nicht zuletzt mithilfe gemeinsam genossenen Alkohols hervorragend gelang.