Warum schauen die Deutschen so gern Tennis?

Um zu wissen, welchen Sport die Deutschen am Liebsten im Fernsehen verfolgen, bedarf es keiner Umfrage. Den ersten Platz in der Beliebtheits-Rangliste nimmt natürlich der Fußball ein, gefolgt von Leichtathletik und Wintersport. Aber auch Tennis hat viele Anhänger. Dabei ist Deutschland auf der Weltrangliste gerade eher unterrepräsentiert, auch wenn Alexander Zverev und Anqelique Kerber immer wieder beachtliche Erfolge erzielen. Trotzdem schalten viele Menschen bei Events wie Wimbledon oder beim Davis Cup den Fernseher ein und verfolgen geduldig, wie der Ball immer wieder von einer Seite des Bildschirms zur anderen springt. Was macht den Reiz dieses Spiels aus?

 

Ein echter Frauensport

 

Trotz aller Fortschritte finden viele Damensportarten im Fernsehen immer noch vergleichsweise wenig Beachtung. Ob im Fußball oder im Motorsport – zu sehen sind hauptsächlich die Männer. Das ist beim Tennis anders. Nicht umsonst ist Angelique Kerber das Gesicht einer landesweiten Werbekampagne für Versicherungen. Und der Kampfgeist von Powerfrau Serena Williams, die erst vor kurzem nach einer Babypause ihr Comeback feierte, ist schon fast legendär. Sie ist für Mütter auf aller Welt eine Inspiration. Denn ihre Karrierepause hat sie nicht davon abgehalten, ein weiteres Mal den Sieg bei Wimbledon anzustreben. Das könnte einer der Gründe sein, warum sich auch viele Frauen unter der Zuschauerschaft von Tennisturnieren befinden. Trotzdem können auch beim Tennis die Frauen in Sachen Bekanntheit und Preisgeldern nicht ganz mit den Männern mithalten. Ob sich das in der Zukunft ändern wird, ist unklar.

 

Das Erbe von Steffi Graf und Boris Becker

Ein weiterer Grund für die anhaltende Beliebtheit des Tennissports dürfte das Erbe von Steffi Graf und Boris Becker sein, die es in den 1980er und 1990er Jahren zu echtem Starruhm brachten. Steffi Graf hält auch mehr als 20 Jahre nach ihrem Rücktritt noch zahlreiche Tennis-Rekorde. So ist es außer ihr noch keinem Tennisspieler gelungen, den Golden Slam zu gewinnen – ein Sieg bei allen vier Grand Slam-Turnieren innerhalb eines einzigen Jahres. Graf inspirierte am Höhepunkt ihrer Karriere Menschen auf der ganzen Welt und lockte zahlreiche deutsche Zuschauer vor den Fernseher. Von Steffi Grafs Rekordbilanz ist Boris Becker weit entfernt. Trotzdem ist er bis heute der jüngste Wimbledon-Sieger in der Geschichte des Turniers. Becker genoss besonders in Deutschland große Beliebtheit. Auch über das Ende seiner Karriere hinaus wurde ihm von der Boulevardpresse viel Aufmerksamkeit zuteil. Heute ist Beckers Ruf ein wenig angeschlagen. Trotzdem dürfte auch sein Erbe einiges zur Beliebtheit des Tennis bei deutschen Fernsehzuschauern beigetragen haben.

 

Ein etwas anderer Sport

Während Fußball schon immer der Sport der einfachen Leute war, haftet dem Tennis bis heute ein Hauch des Elitären an. Während im Fußballstadion betrunkene Fans laut ihre Hymnen grölen, geht es am Tennis-Court deutlich gesitteter zu. Bei besonderen Spielleistungen geht ein Raunen durch die Zuschauerränge. Wird ein Punkt erzielt, klatscht das Publikum höflich. Tennis ist damit in gewisser Weise ein Gegenentwurf zur rauen Fußballkultur. Damit spricht der Sport auch Zuschauer an, die mit dem Rummel um den Fußball nicht viel anfangen können. Die Beliebtheit von Tennis im Fernsehen spiegelt somit auch die Vielfalt der deutschen Geschmäcker wieder.