Auf unser Wohl?

Die Bürgermeister von Postbauer-Heng im Gespräch mit Gemeinwohlberater Thomas Mönius (2.v.l.)
Die Bürgermeister von Postbauer-Heng im Gespräch mit Gemeinwohlberater Thomas Mönius (2.v.l.)

Es war ein Vorschlag, der gerade bei einigen neuen Räten für fragende Blicke sorgte, denn der Begriff „Gemeinwohlökonomie“ war nicht jedem frischgebackenen Volksvertreter in Postbauer-Heng geläufig. Schon vor der Wahl im März hatte sich der Rat in seiner alten Zusammensetzung mit einer Idee beschäftigt, welche zuletzt durch den österreichischen Autor Christian Felber wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wurde: Unternehmen, Organisationen oder Kommunen betrachten ihr eigenes Handeln nicht nur unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit oder der Gewinnmaximierung, sondern prüfen generell, inwiefern sie zum Gemeinwohl beitragen.

In seiner letzten Sitzung entschied der Gemeinderat aber schließlich einstimmig, dass sich Postbauer-Heng mit diesem Ansatz kritisch selbst hinterfragen soll: Ab Herbst werden rund neun Monate lang verschiedene Facetten und Aspekte der Kommune bewertet – von der Mitarbeiterführung, über Einkaufsstrukturen bis hin zu Bürgerbeteiligungen. In Zusammenarbeit mit einem auf Gemeinwohlökonomie spezialisierten Beratungsbüro aus Nürnberg soll sich die Marktgemeinde quasi selbst „benoten“ – als Hilfe werden Beispiele aus anderen Orten aufgezeigt, welche im jeweiligen Bereich als vorbildlich gelten.

 

Das Gedankengut der Gemeinwohlökonomie ist nicht unumstritten, „traditionelle“ Wirtschaftler kritisieren die Ansätze teilweise als weltfremd. In Postbauer-Heng ist man sich auch durchaus bewusst, dass allein der Begriff „Gemeinwohl“ schwierig definierbar ist und sehr individuell ausgelegt wird. Für das Projekt in der Marktgemeinde wird deshalb eine Bewertungsmatrix mit fünf Parametern herangezogen, zu denen u.a. Solidarität, Menschenwürde und Transparenz-Demokratie zählen.„In einem Staat, welcher z.B. nicht auf Demokratie basiert, müsste man hier vermutlich andere Kriterien wählen“, sinniert Thomas Mönius, welcher als Gemeinwohlberater die Kommune betreut – ein weiteres Anzeichen dafür, dass der Begriff viel Interpretationsspielraum lässt.

 

Nach dem oberbayerischen Kirchanschöring ist Postbauer-Heng erst die zweite Gemeinde im Freistaat, welche sich nach den Kriterien der Gemeinwohlökonomie bewertet – am Ende des Prozesses soll ein umfassender Bericht zeigen, in welchen Bereichen Handlungsbedarf besteht. „Das kann richtungsweisend für die nächsten Generationen sein“, erklärt die zweite Bürgermeisterin Angelika Herrmann – dass das mit dem Projekt verbundene Zertifikat nur für zwei Jahre gilt und dann erneuert werden muss, sieht sie als sinnvolle Motivation. Wer das Projekt nüchtern betrachtet, könnte wohl zu folgendem Schluss kommen: Nur wenn schwammige Begriffe wie „Gemeinwohl“ in klare Parameter verwandelt werden, kann eine solche Maßnahme sinnvolle Impulse liefern bzw. überhaupt ernst genommen werden. In einer Zeit, in der Zertifikate und Prädikate inflationär daran erinnern, wie gut etwas angeblich ist, denkt man bei Projekten dieser Art leider gefährlich schnell an das Loriot´sche Jodeldiplom.